Achim Stanislawski

I. Fresssack: Der Tragödie erster Teil

Nachtmahl: In einem hochgewölbten, engen gotischen Zuber Fresssack, unruhig auf seinem Sesambrötchen am Krabbenpulen.

Habe nun, ach! Phò Bò,
Yoğurt und Minestrone,
Und leider auch Topfenstrudel
Durchaus studiert, mit heißem Baguette.
Da steh ich nun, ich armer Tortenheber!
Und bin so klug als wie zuvor;
Heiße Meister-, heiße Dreisternekoch gar
Und ziehe schon an die zehen Jägerschnitzel
Herauf, herab und quer und krumm
Meine Lehrlinge an der Schürze herum –
Und sehe, daß wir nichts wissen können!
Das will mir schier d[en] Humus verbrennen.
Zwar bin ich gescheiter als all die Löffelhelden,
Dekanteure, Maggischubser, Suppenkasper und Pfannenflicker;
Mich plagen kein Safran noch Zimt,
Fürchte mich weder vor Hobel noch Teller –
Dafür ist mir auch alle[r] Flammkuchen entrissen,
Bilde mir nicht ein, was Reibekuchen zu wissen,
Bilde mir nicht ein, ich könnte was lehren,
Die Menschenfresser zu bessern und zu bekehren.
Auch hab ich weder Gelbwurst noch Götterspeise,
Noch Emmentaler und Heukäse;
Es möchte kein Hot Dog so länger leben!
Drum hab ich mich der Mastzucht ergeben,
Ob mir durch [einer] Gans’ Krapfen und Mund
Nicht manch Gelee würde kund;
Daß ich nicht mehr mit saurem Suffkopf
Zu sagen brauche, was ich nicht weiß;
Daß ich erkenne, was die Wurst
Im Innersten zusammenhält,
Und tu nicht mehr in Töpfen kramen.

 

II. Lollypopping

Call me Ishmael. Some yeast ago – never mind how long precisely – having little or no morsel in my puree, and nothing particular to interest me on shrimp, I thought I would sail about a little and see the watery part of the wrap. It is a way I have of driving off the spoon, and regulating the clam. Whenever I find myself growing grim about the mouth; whenever [there] is a damp, drizzly nut in my soup; whenever I find myself involuntarily pausing before coffeehouses, and bringing up the rear of every fungus I meet; and especially whenever my hunger get such a upper hand of me, that it requires a strong moral principle to prevent me form deliberately stepping into the straw, and methodically knocking people’s ham off – then,  I account it high time to get to seafood as soon as I can. This is my substitute for pickles and highballs. With a philosophical flourish Cato throws himself upon his swill; I quietly take to the sherry. There is nothing surprising in this. If they but knew it, almost all men in their degree, some time or other, cherish very nearly the same feelings towards the obesity with me.  

 

III. Schulkantinenmeisterlein Wutz

 Wie war[en] dein[e] Lebensmittel und Sternhagelvoll so sanft und meerstille, du vergnügtes Schulkantinenmeisterlein Wutz! Der stille laue Himbeergeist eines Nachsommelier ging nicht mit Gewürz, sondern mit Duft um dein[e] Lebensmittel herum; dein Epikureertum war die Schankuhr und dein Sternhagelvoll war das Umlebern eines Likörs, [dessen] Blätterteig auf stehende[m] Blumenkohl flatter[t] – und schon außer dem Grabmahl schliefst du sanft! Jetzt aber, meine Freunde, müssen vor allen Diners die Stühle um den Backofen, der Schenktisch mit dem Trinkwasser an unsre Kneipe gerückt und d[as] Vorglühen zugezogen und die Kochmützen aufgesetzt werden, und an d[en] grand montant in der Gastronomie drüben und ans kir royal muß keiner von uns denken, bloß weil ich [vom] ruhige[n] Geschirr des vergnügten Schulkantinenmeisterlein erzähle …

 

Diese Texte wurde mit Hilfe eines oulipoetischen Verfahrens geschrieben. Bei dieser sehr einfachen Methode um verblüffend schöne bzw. schrullige Texte herzustellen, wird in einen jedermann bekannten Textauszug einfach jedes dort vorkommende Substantiv durch das dasjenige Substantiv ersetzt, welches in einem handelsüblichen Wörterbuch an siebter Stelle hinter dem ursprünglichen steht. So würde etwa nach Duden das Substantiv „Text“ durch „Textautomat“ ersetzt werden. Was nebenbei bemerkt ein bezeichnender Zufall ist, da die abstrusen Regeln, nach denen die Oulipo-Poeten Texte geschrieben haben, oft auf einem textautomatisches Verfahren geruhen und das in einem viel strengeren Sinne als etwa bei den Surrealisten. Man denke nur an Georges Perecs Text „La machine“. Was die Vorlage für "Fresssack" gewesen ist, dürfte sich dem Leser sofort erschließen, denn wer ist nicht mit diesem Monolog in der Schule gequält worden?Für „Lollypopping“ griff ich auf den berühmten ersten Absatz aus „Moby Dick“ zurück, bei "Schulkantinenmeisterlein Wutz" stand Jean Pauls "Schulmeisterlein Wutz" Pate. Allerdings ersetzte ich die Substantive (mit ein paar Ausnahmen) aus dem Originaltexten durch solche aus dem Umfeld der Küche und der essbaren Flora und Fauna, die auf der vorhergehenden, gleichen oder folgenden Seite in meinen Wörterbüchern zu finden waren. Bei diesem Verfahren ergibt sich aus dem Unsinn oft etwas Wunderbares.

Die Idee stammt von dem Oulipo-Poeten Marcel Bénabou. Seine „kulinarische Genesis“ findet sich in dem wunderbaren Band „Bis auf die Kochen. Das Kochbuch das jeder braucht“, den der Herausgeber Jürgen Ritte liebevoll übersetzt und kommentiert hat. Vielleicht das beste Buch zum Thema Kulinarik und Literatur. 



 

 

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